Katie Tanner, eine Personalberaterin aus Utah, schrieb einen Job aus, den sie für großartig hielt: einen Job im Technologiebereich, der vollständig remote erledigt werden konnte und für den nur drei Jahre Berufserfahrung erforderlich waren. Sie war auf eine Flut von Bewerbungen vorbereitet, doch was dann geschah, übertraf alles, was sie sich hätte vorstellen können.
In den ersten zwölf Stunden gingen 400 Bewerbungen auf ihrem LinkedIn-Konto ein. Nach 24 Stunden waren es bereits 600. Wenige Tage später, als die Zahl der Bewerbungen 1.200 überstieg, musste sie ihren Beitrag schockiert löschen. Drei Monate später kämpft sich Tanner immer noch durch die Flut an Bewerbungen, um einen geeigneten Kandidaten zu finden.
„Es war verrückt“, sagte sie. „Ich war völlig überwältigt von den Bewerbungen.“
Tanners Geschichte ist kein Einzelfall, sondern ein typisches Beispiel für das, was Hung Lee, ein ehemaliger Personalberater, als „Kandidaten-Tsunami“ bezeichnet, der den globalen Arbeitsmarkt erfasst. Hauptursache ist die explosionsartige Verbreitung generativer KI-Tools.
Die weltweit größte Jobplattform LinkedIn verzeichnete allein im vergangenen Jahr einen Anstieg der Bewerbungen um über 45 %. Pro Minute gingen durchschnittlich 11.000 Bewerbungen ein.
Mit nur wenigen einfachen Befehlen können Tools wie ChatGPT einen Lebenslauf und ein Anschreiben erstellen, die mit Schlüsselwörtern aus der Stellenbeschreibung gefüllt sind und so automatisierte Screening-Systeme umgehen. Noch ausgefeilter ist es, wenn viele Kandidaten „KI-Agenten“ dafür bezahlen, in ihrem Namen automatisch nach Hunderten von Stellen zu suchen und sich darauf zu bewerben.
Infolgedessen geraten Personalvermittler in ein Meer der Verwirrung. Sie sind nicht nur von der Anzahl der Bewerber überwältigt, sondern haben auch Schwierigkeiten, zwischen wirklich kompetenten Kandidaten, denen, die sich wirklich für die Stelle engagieren, und denen, die bloße KI-Klone sind, zu unterscheiden.
Die weltweit größte Jobplattform LinkedIn verzeichnete allein im vergangenen Jahr einen Anstieg der Bewerbungen um 45 %. Pro Minute gingen durchschnittlich 11.000 Bewerbungen ein (Foto: LinkedIn).
Das Wettrüsten „KI gegen KI“
Angesichts der Flut an KI-generierten Profilen bleiben Unternehmen nicht untätig. Sie reagieren mit der Waffe des Feindes: Künstlicher Intelligenz. Ein stilles, aber heftiges technologisches Wettrüsten hat begonnen.
Viele große Unternehmen setzen automatisierte Interview-Chatbots oder Videointerviews ein, die vollständig von KI analysiert werden. Chipotle-CEO Scott Boatwright gab bekannt, dass sein KI-Tool „Ava Cado“ zur Auswahl und Planung von Interviewterminen die Einstellungszeit um bis zu 75 % verkürzt hat. Die Videointerview-Plattform HireVue geht sogar noch weiter und ermöglicht es Personalvermittlern, KI zu nutzen, um Kandidaten anhand der Analyse ihrer Antworten, Mimik und Körpersprache zu bewerten und zu ordnen.
Allerdings „hat eine dicke Orangenschale scharfe Nägel“. Kandidaten fanden auch schnell Wege, das System zu „hacken“. Sie nutzten andere KI-Tools, um Beispielantworten bereitzustellen, die Fragen des KI-Interviewers zu analysieren und sogar Deepfake-Videos zu erstellen, um zu schummeln.
Dies zwingt Unternehmen dazu, ihre „Waffen“ ständig zu verbessern. HireVue hat spielbasierte Fähigkeitstests eingeführt, um Mustererkennung und Gedächtnis zu testen, sowie „virtuelle Vorsprechen“, um emotionale Intelligenz und praktische Fähigkeiten wie das Zählen von Wechselgeld zu testen. „Manchmal geraten wir in Situationen, in denen KI gegen KI antritt“, sagte Hung Lee.
Die Gefahr geht über gefälschte Bewerbungen hinaus
Das Problem geht über schlampig von KI erstellte Lebensläufe hinaus. Es zeichnet sich eine größere und besorgniserregendere Bedrohung ab: gefälschte Bewerber.
Im Januar erhob das US- Justizministerium Anklage gegen nordkoreanische IT-Experten, die unter falschen Identitäten in Hunderten von US-Unternehmen arbeiten sollten. Emi Chiba, Personalanalystin bei der Unternehmensberatung Gartner, sagte, die Zahl der Berichte über Bewerber mit falschen Identitäten steige.
Ein im April veröffentlichter Bericht von Gartner enthielt eine schockierende Prognose: Bis 2028 könnte ein Viertel aller Bewerbungen gefälscht sein. Der Bericht empfiehlt Unternehmen dringend, zu ihrem Schutz fortschrittlichere Software zur Identitätsprüfung einzusetzen.
Um die Krise zu bewältigen, greifen auch Plattformen wie LinkedIn ein. Sie haben neue KI-Tools eingeführt, die beiden Seiten eine effizientere Filterung ermöglichen. Ein „KI-Agent“, der im Oktober 2024 eingeführt werden soll, kann Personalvermittlern dabei helfen, Antwortnachrichten zu verfassen, Kandidaten zu prüfen und potenzielle Profile vorzuschlagen.
Auf der Kandidatenseite soll eine kostenpflichtige Funktion, mit der sie sehen können, wie gut ihr Profil mit den Stellenanforderungen übereinstimmt, dazu beigetragen haben, die Bewerbungen auf „unpassende“ Positionen um 10 % zu reduzieren.
Rechtliche Minenfelder und Endlosschleifen
Der Missbrauch von KI im Recruiting birgt zudem ein riesiges rechtliches Minenfeld. Die größte Sorge gilt der algorithmischen Verzerrung. KI kann unbeabsichtigt aus historischen Daten bestehende Vorurteile lernen und so zu einer Diskriminierung bestimmter Kandidatengruppen aufgrund von Geschlecht, Rasse oder Alter führen.
Die Europäische Union (EU) hat den Einstellungsprozess in ihrem KI-Gesetz als „hochriskant“ eingestuft und die Aufsichts- und Transparenzanforderungen verschärft. In den USA gibt es zwar kein Bundesgesetz, das sich speziell mit KI bei der Einstellung von Mitarbeitern befasst, bestehende Antidiskriminierungsgesetze könnten jedoch weiterhin gelten, wenn Algorithmen verzerrte Ergebnisse liefern.
„Das Gesetz erlaubt keine Diskriminierung, aber das ist leichter gesagt als getan“, warnt die Anwältin Marcia Goodman, die häufig Arbeitgeber vertritt.
Ironischerweise tragen die Personalvermittler selbst zu diesem Chaos bei. Laut Alexa Marciano, CEO der Personalvermittlungsfirma Syndicatebleu, ist es ganz natürlich, dass Kandidaten KI übermäßig nutzen, wenn sie erfahren, dass auch Arbeitgeber auf automatisierte Screening-Tools setzen. „Sie verbringen viel Zeit damit, durchdachte und ausgefeilte Anschreiben zu verfassen“, sagt sie, „und stellen dann fest, dass sie niemand liest.“
Karrierecoach Jeremy Schifeling glaubt, dass sich dieser Kreislauf fortsetzen wird. Da Bewerber zunehmend frustriert über Absagen automatisierter Systeme sind, werden sie eher bereit sein, Geld für Automatisierungstools auszugeben. Als Reaktion darauf werden Arbeitgeber ihre KI-„Barrieren“ weiter ausbauen.
Er glaubt, dass das Ende dieses Krieges die „Authentizität“ auf beiden Seiten sein muss. Doch er gibt bitter zu: „Bis dahin werden noch viele Menschen Zeit, Ressourcen und Geld verschwenden.“
Der Arbeitsmarkt des Jahres 2025 befindet sich im Auge eines Sturms und sowohl Bewerber als auch Arbeitgeber lernen, wie sie sich davor schützen können, mitgerissen zu werden.
Quelle: https://dantri.com.vn/kinh-doanh/ai-viet-cv-va-cuoc-chien-gianh-viec-lam-thoi-40-20250704141030688.htm
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